Sexualhormone - ein Jungbrunnen ?

Plädoyer für eine differenzierte Hormonersatztherapie

Auszüge aus einem Beitrag von Prof. Dr. Johannes Huber

      Die Hormonersatztherapie (HRT) für Frauen in den Wechseljahren wird oft kontrovers diskutiert. Zweifellos gibt es viele Vorteile: Osteoporoseprophylaxe, neuro- und kardioprotektive Effekte, jugendlicheres Aussehen durch Einflüsse auf den Kollagenstoffwechsel. Es bestehen aber auch Vorbehalte: In der Postmenopause wird sie oft als unphysiologisch und bei nicht individuell abgestimmtem Einsatz als riskant eingestuft.

      Sucht ein Patient den Arzt wegen einer Unterfunktion der Schilddrüse auf, wird man - ohne dies zu hinterfragen - sofort versuchen zu normalisieren. Das gleiche gilt auch für Funktionsstörungen anderer Drüsen, der Nebenniere, der Nebenschilddrüse oder der Bauchspeicheldrüse. Wenn jedoch die Funktion der Geschlechtsdrüsen nachläßt und dies zu Beschwerden führt, dann sind aus unerklärlichen Gründen heute noch immer Ressentiments vorhanden, das gleiche zu machen wie bei Störungen der Schilddrüse oder des Pankreas - nämlich das fehlende Hormon zu ersetzen.

      Die Hormonersatztherapie ist deswegen in Verruf gekommen, weil sie lange Zeit völlig unreflektiert praktiziert wurde: Es wurde zu wenig darauf geachtet, ob eine Patientin in der Postmenopause tatsächlich sofort eine HRT nach dem klassischen Östrogen/Gestagen-Schema benötigt und ob nicht nach einiger Zeit eine Modifikation notwendig wäre, weil bisweilen die Eierstöcke wieder ihre Aktivität aufnehmen. Es wurde außerdem zu wenig darauf geachtet, ob durch die Hormontherapie bei manchen Patientinnen nicht zu hohe Östrogenkonzentrationen erzeugt werden und ob nicht eine Progesteronbehandlung bei manchen Frauen ausreichen würde.

      Positive Effekte der HRT stellen sich praktisch schlagartig ein

      Die HRT ist im Grunde eine natürliche Behandlung mit Substanzen, die normalerweise der Körper selbst produziert. Die Dosierung orientiert sich am physiologischen Hormongehalt im weiblichen Organismus, und es werden so Mißstände korrigiert, die zu subjektiven Beschwerden , aber auch zur objektiven Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes führen. Der Therapieerfolg, und damit die Legimitation zum Handeln, ist sehr einfach feststellbar: Ändert sich praktisch schlagartig die Befindlichkeit der Patientin, bessern sich in kurzer Zeit ihre depressiven Verstimmungen, lassen ihre Gelenkschmerzen nach, sinkt der hohe Cholesterinspiegel, und berrichtet die Patientin von sich selbst, dass ihr neuer Gesundheitszustand in keiner Weise vergleichbar wäre mit dem vorhergehenden, so ist dieser Erfolg das beste Argument für eine differenzierte HRT.

      Es gibt nicht viele Gebiete in der Medizin, wo solch ein Erfolg, so rasch erzielt werden kann wie bei der richtig verordneten HRT. In diesem Sinn kann man durchaus davon sprechen, dass HRT ein Jungbrunnen ist - wobei es nicht darum geht, das Leben um jeden Preis zu verlängern, sondern die zweite Lebenshälfte so fit und agil wie möglich zu erleben.

      Niemand wird leugnen wollen, dass eine schwere Erkrankung, wie es die Osteoporose ist, nicht nur viel Leid für die Frauen bedeutet, sondern auch mit hohen Behandlungskosten verbunden ist. Osteoporose wird durch Östrogenmangel stark beschleunigt, und umgekehrt kann man mit einer HRT der Osteoporose vorgebeugt und das Fortschreiten aufgehalten werden.

      Fazit: Die HRT soll nicht leichtfertig angewandt werden. Sie ist dann zu praktizieren, wenn tatsächlich ein Hormonmangel besteht und wenn dadurch die Patientinnen Beschwerden haben. Die Behandlung soll sich individuell an dem physiologischen Zustand der Frau orientieren, vor allem aber an ihrer subjektiven Befindlichkeit. Die Sexualsteroide sind in gewisser Weise ein Jungbrunnen, denn sie können mithelfen, die zweite Lebenshälfte fitter, gesünder und damit schöner zu gestalten.

      Auszüge aus einem Beitrag von:

      Prof. Dr. Johannes C. Huber  Allgemeines Krankenhaus der Stadt Wien  Universitätsfrauenklinik

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