AMINOSÄUREN

        Allgemeines
        Das Nahrungseiweiß (Protein) dient in erster Linie zur Lieferung von Aminosäuren, die dann im menschlichen Organismus wiederum zu körpereigenem Eiweiß umgebaut werden. Eiweiß (Protein) besteht nur aus Aminosäuren.  Daher spielt es für den Menschen keine Rolle, ob Eiweiß als natürliches  Nahrungseiweiß oder in Form eines entsprechenden Gemisches aus Aminosäuren aufgenommen wird. In Wirklichkeit hat daher der Organismus keinen Bedarf an Eiweiß, sondern an Aminosäuren.

        Das ist auch der Grund dafür, daß man Menschen ausschließlich auch intravenös ernähren kann,  falls eine normale, orale Zufuhr nicht möglich ist, z.B. bei schwerer Bewußtlosigkeit, nach Operationen, bei schweren Darmerkrankungen. Dabei  werden unter anderem Aminosäurengemische intravenös zugeführt, da eine  intravenöse Zufuhr von natürlichem Eiweiß nicht möglich ist mangels Löslichkeit  und des Auftretens von Schockreaktionen.

        Einteilung der Aminosäuren
        Das menschliche Eiweiß ist aus insgesamt 20 Aminosäuren aufgebaut. Nur ein Teil dieser Aminosäuren muß jedoch mit der Nahrung zugeführt werden  und ist daher lebensnotwendig (essentiell). Bei anderen Aminosäuren ist bei bestimmten Stoffwechselstörungen die körpereigene Synthese nicht ausreichend und daher dann eine Zufuhr mit der Nahrung notwendig. Diese Aminosäuren bezeichnet man als semiessentiell. Nicht essentielle Aminosäuren werden ausreichend im Organismus selbst gebildet und daher als "nicht-essentiell" bezeichnet. Selbstverständlich sind sie jedoch normalerweise im Nahrungseiweiß  ebenfalls enthalten.

        Aminosäuren-Stoffwechsel
        Bei einer normalen Ernährung gesunder Personen werden immer alle Aminosäuren in einem solchen Verhältnis zueinander aufgenommen, daß es zu keinen Stoffwechselstörungen kommt.

        Es kann jedoch, insbesondere bei der intravenösen Zufuhr von künstlich hergestellten Aminosäurengemischen,  zu Stoffwechselstörungen infolge einer zu geringen oder zu hohen Zufuhr einer Aminosäure kommen (=Aminosäureimbalancen).

        Neben der für alle essentiellen Aminosäuren gemeinsamen Aufgabe, als Bausteine für die Proteine zu dienen, haben einige Aminosäuren darüber hinaus noch spezielle Aufgaben  im Stoffwechsel:

        • Phenylalanin:  Muttersubstanz für Adrenalin und Tyroxin
        • Threonin: Aufgaben im Fettstoffwechsel
        • Tryptophan:  Muttersubstanz von Serotonin ("Schlafsubstanz") und Vitamin B3 (Niacin)
        • "Verzweigtkettige" Aminosäuren (Isoleucin, Leucin, Valin): Regeln teilweise Gehirnstoffwechsel

        Orthomolekulare  Verwendung von Aminosäuren
        Seit langem werden bestimmte Aminosäurengemische zur Behandlung von Erkrankungen eingesetzt. Obwohl im allgemeinen nicht so bezeichnet, kann man diese Methoden eine orthomolekulare Behandlung nennen.

        Phenylketonurie
        Bei dieser Erkrankung wird aufgrund eines angeborenen Enzymmangels die Aminosäure Phenylalanin nur unzureichend in die Aminosäure Tyrosin umgewandelt.  Die Erkrankung tritt mit einer Häufigkeit von ca. 1:10000 auf und ist  die häufigste L-Aminosäuren-Stoffwechselstörung.

        In Deutschland werden  routinemäßig alle Neugeborenen auf das Vorliegen dieser Stoffwechselstörung untersucht und dann entsprechend behandelt!

        Unbehandelt führt  die Phenylketonurie zu einem Ausbleiben von Gehimwachstum und damit schwerer  geistiger Behinderung.

        Die Behandlung besteht in der Verabreichung spezieller Aminosäuren-Präparate, die entweder arm  oder frei von Phenylalanin sind und zusätzlich einer Spezialdiät. Bei  Einhaltung der Diät entwickelt sich das Kind normal. Durch die bloße Veränderung  der Konzentration eines Nahrungsbestandteils, nämlich Phenylalanin, wird  damit ein überzeugender therapeutischer Erfolg erzielt.

        Lebererkrankungen
        Bei Leberinsuffizienz (Minderleistung der Leber) werden die sog. "aromatischen"  Aminosäuren Phenylalanin, Tyrosin und Tryptophan sowie Methionin von der Leber schlecht verarbeitet und reichern sich daher im Blut an.

        Gleichzeitig vermindern  sich die sog. "verzweigtkettigen" Aminosäuren Isoleucin, Leucin und Valin.

        Durch diese Veränderungen  der Konzentrationen, die auch im Gehirn auftreten, kommt es zu Störungen  der Gehirnleistung, z.B. mangelnder Konzentration, Gedächtnisstörungen,  Verlangsamung der Reaktionen, in schwersten Fällen sogar zu Bewußtlosigkeit.

        Um solchen Zuständen vorzubeugen, werden in diesen Fällen mit gutem Erfolg Aminosäurengemische  gegeben, die wenig aromatische Aminosäuren und Methionin, aber viel verzweigtkettige  Aminosäuren enthalten. Bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz (Minderleistung der Nieren) soll die Zufuhr von Nahrungseiweiß eingeschränkt werden. Um eine zu niedrige Eiweißaufnahme zu vermeiden, werden dann zusätzlich Aminosäurengemische verabreicht, die nur die essentiellen Aminosäuren enthalten.

        Tryptophan als Schlafmittel
        Wie Phenylalanin ist auch Tryptophan eine sog. "aromatische" Aminosäure mit einem ähnlichen Stoffwechsel wie Phenylalanin. Eine hohe  Dosierung von Tryptophan erhöht im Gehirn die "Schlafsubstanz"  Serotonin. Tryptophan wurde daher in hohen Dosierungen als Schlafmittel  eingesetzt. Vor einigen Jahren kam es dabei in seltenen Fällen zu Nebenwirkungen, nämlich vor allem zu - zum Teil schweren - Muskelerkrankungen.

        Lysin bzw. Prolin  bei Herzerkrankungen
        Kollagen ist Bindegewebe, das unter anderem die Wand der Arterien stützt und das relativ hohe Konzentrationen der Aminosäuren Lysin, Prolin und  Hydroxyprolin enthält. Ablagerung von Lipoprotein (a) an den Wänden der Arterien ist ein wahrscheinlicher Grund für die Entstehung der Arteriosklerose. Die Aminosäuren Lysin, Prolin und Hydroxyprolin (entsteht aus Prolin unter Mitwirkung von Vitamin C) verhindem evtl. die Ablagerung von Lipoprotein (a) an den Arterienwänden. Daher wurde die Gabe von Lysin und Prolin als zusätzliche Maßnahme zur Verhinderung der Arteriosklerose vorgeschlagen. Experimentelle Nachweise für diese Auffassung sind noch nicht ausreichend  vorhanden.

        Eiweiß-Hydrolysate
        Eiweiß-Hydrolysate, auch Protein- bzw. Aminosäuren-Hydrolysate genannt,  sind chemisch behandelte Eiweiße, die in einem mehr oder minder großen Umfang bereits in Eiweißbruchstücke (sog. Peptide) und in Aminosäuren  gespalten sind. Ein chemisch vergleichbarer Vorgang findet bei der normalen  Verdauung von Eiweiß statt; Hydrolysate sind daher eigentlich bereits  teilweise verdautes oder vorverdautes Eiweiß, bestehend aus sog. Peptiden (teilweise gespaltenes Eiweiß) und Aminosäuren (vollständig gespaltenes  Eiweiß).

        Eiweiß-Hydrolysate bringen daher in der Ernährung nur dann Vorteile, falls die Verdauungsvorgänge nicht richtig funktionieren, z.B. nach schweren chirurgischen Eingriffen,  bei Intensivpflege-Patienten, entzündlichen Darmerkrankungen, Strahlen-  und Zytostatika-Schäden des Darms. Es bringt jedoch keinerlei Vorteile, solche Eiweiß-Hydrolysate z.B. zur Ernährung von Sportlern bzw. Bodybuildern  einzusetzen, bei denen ja die Verdauung normal funktioniert. Hier kann gewöhnliches, wesentlich preiswerteres normales Eiweiß oder Eiweißkonzentrat verwendet werden.


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